Der Flug der Erinnerung – Eine Nacht mit Papa Viktor 🦇🌙

In einer stillen Nacht nimmt Bens Vater ihn mit auf einen besonderen Flug – zurück zu alten Geschichten, Baumgeflüster und einem Zeichen aus der Vergangenheit. Eine liebevolle Gute-Nacht-Geschichte über Vertrauen, Erinnerungen und das Leuchten der Familie.

© Wowbook – Ben die Fledermaus

8/9/20253 min read

Na, da seid ihr ja wieder! Ich bin’s – Ben, eure kleine Fledermaus. Heute erzähle ich euch von einem Nachtflug, den ich nie vergessen werde. Ein Flug mit meinem Papa – Viktor. 🦇

Es war eine dieser stillen Nächte im Park. Kein Wind, kein Rascheln – nur der silberne Mond, der durch die Baumkronen schien. Ich saß am Rand meiner Baumhöhle und schaute in die Sterne.

Da hörte ich plötzlich ein leises Flattern neben mir. „Noch wach?“, fragte eine tiefe Stimme.

Ich drehte mich um. „Papa!“

Viktor lächelte. „Wie wär’s mit einem kleinen Rundflug?“

Ich nickte begeistert. So ein Flug mit Papa war etwas Besonderes. Er flog ganz anders als ich – ruhig, gleichmäßig, fast wie ein Schatten, der durch die Nacht gleitet.

Wir stiegen gemeinsam auf, lautlos, und ließen den Park unter uns. Ich liebte dieses Gefühl – wenn die Welt kleiner wurde und man das Rauschen der Bäume von oben hörte.

„Weißt du noch“, begann Viktor, „wie du als kleines Junges zum ersten Mal geflogen bist?“

Ich lachte. „Ich bin gegen einen Ast geflogen!“

„Zweimal“, korrigierte Viktor grinsend. „Aber du hast nicht aufgegeben.“

Wir flogen weiter. Über das große Rosenbeet, an dem ich mich früher nie vorbeigetraut hatte, weil dort immer eine schnarchende Eule wohnte. Über den alten Steinkreis, in dem die Käfer ihre Nachtmusik probten. Alles lag still da, als würde der Park schlafen.

Viktor drehte eine elegante Schleife und zeigte nach vorn. „Da hinten, siehst du den großen Ast mit der Lücke?“

Ich nickte.

„Da hat mein Papa früher mit mir gesessen. Er hat mir Geschichten erzählt – von Fledermäusen, die in Höhlen lebten, von Lichtzeichen im Nebel …“

Ich hörte gespannt zu. Viktor erzählte nicht oft von seiner Kindheit.

„Manchmal, Ben“, sagte er leise, „denkt man, dass alles schon erzählt wurde. Aber dann kommt eine Nacht wie diese – und du weißt, dass jede Erinnerung ein kleines Licht ist.“

Wir setzten uns auf genau diesen Ast. Der Wind rauschte leise durch die Zweige.

„Warum hast du eigentlich nie Angst gehabt, Papa?“

Viktor sah mich an. „Oh, ich hatte oft Angst. Aber ich hatte jemanden, der an mich geglaubt hat. So wie ich an dich glaube.“

Mir wurde ganz warm ums Herz. Ich kuschelte mich in seine Flügel.

Dann erzählte ich ihm eine Geschichte. Von Hoppel, vom Wunschbaum, von Luna und dem Licht unter dem Baum. Und Viktor hörte zu, ganz still.

Wir blieben noch eine Weile sitzen, während die Sterne über uns wanderten. „Weißt du“, sagte Viktor, „jeder Baum, jeder Ast hier oben erzählt eine Geschichte. Manche flüstern sie, andere singen sie, und einige … bewahren sie einfach still.“

Ich schloss kurz die Augen und horchte. Da war wirklich ein Rascheln, das wie ein Flüstern klang. Vielleicht sprach der Baum zu uns. Vielleicht war es nur der Wind. Aber es fühlte sich besonders an.

Plötzlich flog ein einzelnes Blatt in einem weiten Bogen an uns vorbei. Es wirbelte in der Luft, ganz langsam, und landete direkt vor unseren Krallen. Es war alt und golden gefärbt, als wäre es schon tausendmal von der Sonne geküsst worden.

Viktor sah es an. „Mein Vater hat immer gesagt, wenn du so ein Blatt findest, dann hast du ein Stück Erinnerung entdeckt, das dich begleiten will.“

Ich hob es vorsichtig auf. Es fühlte sich warm an.

Als wir später zurückflogen, sprachen wir kaum. Wir hörten dem Rascheln zu, dem entfernten Ruf eines Nachtvogels, dem Flügelschlag unserer eigenen Reise.

Kurz vor meiner Baumhöhle drehte Viktor sich zu mir. „Darf ich dir noch etwas zeigen?“

Ich nickte, und er führte mich zu einem alten Baumstumpf, tief versteckt zwischen Farnen und Moos. Er stupste ein kleines Stück Rinde zur Seite – darunter war eine winzige Gravur: drei Fledermäuse, nebeneinander. Eine kleine, eine große, eine mit aufgefächerten Flügeln.

„Das habe ich damals mit deinem Großvater gemacht“, sagte Viktor leise. „Jetzt gehörst du auch dazu.“

Ich berührte die Gravur mit meiner Kralle. „Darf ich auch etwas einritzen?“

„Natürlich.“

Und so ritzte ich ein winziges Herz daneben. Nicht perfekt, aber echt.

Als ich wieder in meiner Baumhöhle lag, hielt ich das Blatt fest zwischen den Flügeln. Ich dachte an Viktor, an den Flug, an das alte Zeichen im Holz.

Ich flüsterte in die Nacht: „Danke, Papa.“

Denn manchmal ist es nicht das, was du tust – sondern dass du da bist.

Und das war mein schönster Flug. 🌙🦇